Frank Opper

Neue In-Ears

Neue In-Ears von All You Can Ear

Nachdem ich jetzt schon einige Auftritte mit meinen neuen In-Ears gespielt habe, ist es Zeit für ein erstes Fazit. Um es kurz zu machen: der Hammer! Ich habe mir echt die Frage gestellt: warum nicht gleich so? Aber der Reihe nach ...

Bei meiner Band Legends Of Life spiele ich seit mehreren Jahren mit In-Ear-Monitoring über eine Sennheiser-Funkstrecke. Ich habe mir statt der "normalen" In-Ears, die beim Funkset dabei waren, etwas hochwertigere Hörer, ebenfalls von Sennheiser, gekauft und war soweit zufrieden: ich habe mich und den Rest der Band gut gehört, es gab keine Rückkopplungen bei unseren Auftritten und der Schall von außen wurde abgedämpft - gerade bei einer Band mit vier Bläsern und der teilweise recht hohen Lautstärke auf der Bühne ein enormer Vorteil! Die In-Ears waren nicht angepasst und haben daher nicht ganz geschlossen; ich konnte daher immer noch etwas vom Publikum und der Stimmung einfangen. Soweit passte alles - dennoch hatte ich den Eindruck, das in puncto Sound noch Luft nach oben ist.

Mit einem befreundeten Musiker habe ich mich im November letzten Jahres über In-Ears unterhalten, und er hat mir von seinem neuen System berichtet: ein Unterschied wie Tag und Nacht zu vorher! Und so kam ich zur Firma All You Can Ear von Alex Fiess in Herxheim bei Landau. Danke für den Tipp, Jean!

Alex hat sich auf In-Ears spezialisiert und hat eine Vielzahl von Systemen testbereit. Er berät nur nach Terminabsprache. Das war für mich erstmal ungewöhnlich, hat aber den einfachen Hintergrund, dass bei dem Termin wirklich Zeit ist, die verschiedenen Systeme nebeneinander probezuhören und vergleichen zu können. Und so fuhren wir an einem schönen und kalten, aber sonnigen Samstagmorgen Ende November nach Herxheim. Im Telefonat vor dem Termin habe ich bereits meine "Probleme" mit meinem jetzigen System und meine Wünsche an neue In-Ears formuliert. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde und nachdem Alex bei Elke und mir eine Preisobergrenze abgefragt hatte, konnte das Probehören beginnen.

Bei All You Can Ear in Herxheim

Er hat in einem Rack vor zwei bequemen Sesseln alles da, was man zum Probehören benötigt: CD-Player, MP3-Player, iTunes sowie USB-Anschluss für eigene Sticks - das alles kombiniert mit einer Fernbedienung und Kopfhörerverstärker für fünf verschiedene Sets. Elke und ich haben uns vor dem Termin Songs rausgesucht, die wir besonders gut kennen und mit denen wir Unterschiede und feinste Nuancen der In-Ears feststellen wollten. Meine drei Songs waren "What Is Love" von Haddaway, "Little Drummer Boy" von for King and Country und "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss.

Das Vorgehen würde man in einem Restaurant oder bei einer Weinprobe als Blindverkostung bezeichnen. Im Sessel platznehmen, den ersten Song starten und die In-Ears von links nach rechts durchhören. Von Alex gibt's keine Info über die In-Ears, die gerade angeschlossen sind: er nennt weder Hersteller, die Anzahl der Wege noch den Preis. Es zählt somit allein der akustische Eindruck! Nach Abspielen von markanten Passagen der anderen Songs trennte sich recht schnell die Spreu vom Weizen: schlecht klingende In-Ears wurden aussortiert und dafür neue angeschlossen - und damit ging's in die nächste Runde. "Schlecht klingend" ist dabei eine rein subjektive Entscheidung und kein Kriterium für die Qualität eines Systems an sich. Ein Set, das ich recht schnell aussortiert hatte, war bei Elke unter den letzten beiden, zwischen denen sie sich entscheiden musste und für das sie sich dann auch entschieden hat.

Ging die Auswahl anfangs noch recht zügig vonstatten, wurden mit der Zeit die Unterschiede zwischen den verschiedenen In-Ears immer geringer, und dementsprechend dauerte auch die Auswahl länger. Letztlich entscheidend für meine Asuwahl waren zwei leise Passagen aus "Little Drummer Boy" und "Also sprach Zarathustra", die bei meinem Erstplatzierten einen Tick klarer klangen und mit mehr Details zu hören waren - aber wie gesagt: das ist rein subjektiv, und beim jedem anderen Musiker ist es wahrscheinlich ganz anders.

Mein "Probehören" war nach etwas über zwei Stunden beendet. Ich muss dazu aber sagen, dass ich wirklich sehr oft zwischen den In-Ears gewechselt und bestimmte Passagen wieder und wieder abgespielt habe. Ich fühlte mich dabei nie zeitlich unter Druck gesetzt, und insofern geht Alex' Konzept, ein Probehören nur mit Terminvereinbarung zu machen, voll auf.

Elke beim In-Ear-Test

Nach einer kurzen Mittagspause mit belegten Brötchen und Kaffee war dann Elke dran. Ihr Auswahlprozess hat nicht so lange gedauert - nach einer guten Stunde hat auch sie ihre In-Ears ausgewählt. Sie hat zusätzlich noch ihr Mikrofon angeschlossen, um ihre eigene Stimme über die In-Ears zu hören, und ich habe zum Vergleich meine alten In-Ears angehört. Fazit: mit den neuen Systemen alles bestens! Wir sind übrigens beide bei In-Ears der Firma Vision Ears aus Köln gelandet. Mein Modell ist das VE4.2; bei Elke ist es das VE2 geworden.

Nach einer erneuten kurzen Pause hat Alex dann Abdrücke von unseren Ohren gemacht. Als ausgebildeter Hörgeräte-Akustiker hat er die notwendige Erfahrung und das Procedere sehr angenehm durchgeführt. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, mit zwei Stopfen Hartwachs in den Ohren dazusitzen und nichts, aber auch wirklich nichts, an Geräuschen und Stimmmen um einen herum wahrzunehmen. Meine Erfahrung danach: Stille kann ganz schön laut sein!

Zu guter Letzt ging es an die Personalisierung der In-Ears. Hier hatten wir sehr viele Freiheiten, was die Gestaltung der Systeme betrifft. Das fängt bei der Farbe der Faceplate und des Logos an und hört bei der Beschriftung der In-Ears und des mitgelieferten Cases auf. Auch extravagante Wünsche wie z. B. ein Glitter-Effekt sind hier möglich.

Das Drumset bei All You Can Ear

Wir haben und bei der Auswahl der In-Ears "nur" auf Musik aus der Konserve verlassen. Das muss aber nicht sein. Zum Testen ist es möglich, sein eigenes Instrument oder Mikrofon mitzubringen, falls man das in den Test integrieren möchte. Mehrere Keyboards - u. a. ein Yamaha KX-88 Masterkeyboard - und Soundmodule sind vorhanden, und für Gitarristen und Bassisten steht ein Kemper-Rack mit Remote zur Verfügung. Eigene Rigs können daher einfach via USB importiert werden.

Am meisten beeindruckt hat uns aber das riesige Drumset, das bei Alex in einer Hälfte des Raums aufgebaut ist. Die Kombination aus voll mikrofoniertem Akustik-Set mit Doppel-Bassdrum, Roto-Toms aus den 80ern sowie Simmons E-Drums und Roland E-Drums ist schon imposant!

Gegen 15:30 Uhr haben wir uns dann von Alex verabschiedet und in einer Bäckerei in Herxheim noch einen Kuchen gegessen und eine Tasse Kaffee getrunken, bevor es dann wieder die knapp 100 km nach Bensheim zurückging. Ein paar Tage später kam eine E-Mail von der Firma Vision Ears mit der Betätigung, dass die Abdrücke für die Herstellung der In-Ears verwendet werden können. Die Lieferung war für den 13.01.2025 geplant, und so fieberten wir über Weihnachten und Neujahr dem Päckchen entgegen.

Und dann war es endlich soweit: zu Beginn der zweiten Januarhälfte konnten wir unsere angepassten In-Ears in Empfang nehmen. Weil beide von Vision Ears waren, war der Inhalt prinzipiell gleich. Ich hatte mir aber noch einen zusätzlichen, angepassten Gehörschutz bestellt, weswegen bei mir ein paar Dinge mehr dabei waren (siehe Bild ganz oben):

Ausgestattet mit den neuen In-Ears war dann der erste Live-Test eine Probe mit der Band. Beide Ohrhörer sitzen perfekt und schließen das Ohr komplett ab. Dann ist von unserem Drummer an seinem Akustik-Set wirklich nichts mehr zu hören. Gut - ich habe immer die Möglichkeit, die In-Ears etwas aus dem Ohr "herauszuklappen", um so die Umgebung besser wahrzunehmen, aber das ist ja nicht Sinn der Sache ...

Als Konsequenz daraus habe ich meinen Monitor-Mix in unserem Mischpult von Post-Fader auf Pre-Fader umgestellt. Ich hatte vorher das Ziel, auf dem Monitor die gleiche Abstimmung wie auf der PA zu haben, weil ich bei LOL auch für die Abmischung zuständig bin. Ein Post-Fader-Mix wie mit meinen alten In-Ears macht mit einem System, das dicht abschließt, aber keinen Sinn. So habe ich jetzt einen Mix, der für mich angenehm klingt, aber nicht das widerspiegelt, was "draußen" auf der PA passiert.

Als weitere Konsequenz (und weil auch unsere zweite Sängerin [die ihr System übrigens auch von All You Can Ear hat], einer unserer Gitarristen, unser Keyboarder und unser Drummer auf In-Ears umgestiegen sind - also 6 von 11 Musikern so ein System nutzen) haben wir uns zwei Behringer C-2 zugelegt. Diese sind auf's Publikum ausgerichtet und im Mischpult so geroutet, dass sie nur in den jeweiligen In-Ear-Mixes zu hören sind. So haben wir die Möglichkeit, trotz der geschlossenen Systeme die Live-Stimmung beim Gig einzufangen.

Ich habe jetzt bei der Mehrzahl der Proben und bei allen unseren Auftritten mit den In-Ears gespielt und bin hochzufrieden. Ich kann mich selbst (Vocals) und die anderen Stimmen viel besser im Satzgesang orten, mein Bass, die Gitarren und Keyboard klingen klar und sauber, und unser Drummer kommt druckvoll und präzise rüber. Das alles trägt viel zu einem exakten Spiel und damit einer besseren Live-Performance bei.

Mein Fazit: diese Investition hat sich gelohnt! Und daher zum Schluss nochmal die Frage vom Anfang: warum nicht gleich so?